Kaskadenkatastrophe

Donnerstag, 19. Oktober. Es ist 14 Uhr, als die Tür zum Auditorium aufgesprengt wird. Die Beamten finden keine Indizien für den befürchteten Super-GAU. Am späten Nachmittag werden sie auf einer Pressekonferenz das Gegenteil behaupten. Die tragische Kette der Ereignisse nimmt ihren Lauf.

Die Nachricht versetzt große Teile der Bevölkerung in Angst und Schrecken. Eine Gruppe abgespaltener Aktivisten umzingelt den hilflos gestikulierenden Staatsanwalt und erzwingt die Herausgabe der Ermittlungsakten. Es bleiben nur wenige Minuten, um das Öffnen der Schleusen zu verhindern.

Alle Warnungen kommen zu spät: Als der Leuchtturmwärter gegen 18:10 Uhr den Lichtschalter betätigt, entzündet der elektrische Funke die von den Yachten heraufgestiegenen Benzindämpfe. Es kommt zur Explosion. In einer Kurzschlussreaktion öffnet der örtliche Zoodirektor das Tor zum Delphingehege. Die verstörten Tiere suchen das Weite und können erst am nächsten Tag wieder eingefangen werden.

Die Vorfälle belasten die diplomatischen Beziehungen zu den Benelux-Ländern derart stark, dass Protestwellen aus sämtlichen Bevölkerungsteilen in den folgenden Nächten zum Schließen aller Grenzen führen. Der Notstand wird ausgerufen — gerade rechtzeitig, um der anhaltenden Einfuhr von verseuchtem Geflügel aus dem Osten Einhalt zu gebieten.

Das Konglomerat aus GVU, GEZ sowie Musik-, Zigarren- und Filmindustrie befürchtet gravierende Gewinneinbrüche und erarbeitet ein Maßnahmenpaket, das die Errichtung einer Privatarmee vorsieht, um mit Waffengewalt gegen Raubkopierer, Schwarzseher und chinesische Fälscherbanden vorzugehen. Das Land verfällt binnen weniger Tage in bürgerkriegsartige Zustände. Bundeswehr, Bundesgrenzschutz, Polizei und Mafia liefern sich erbitterte Straßenkämpfe.

Am 1. Januar erblickt ein verträumtes Rhinozeros das Licht der Welt. Es weiß nicht, dass es das erste Kind des neuen Zeitalters des himmlischen Friedens ist.

Gekocht am 20. Oktober 2006.
Zuletzt aufgebraten am 15. Mai 2014.